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Fußball-Romantik und Roadtrip

Die neuen Romane von Frank Goosen und Annika Büsing

In diesem Frühjahr sind in renommierten Verlagshäusern die Romane der beiden Bochumer Annika Büsing und Frank Goosen erschienen. Peter Mohr hat sie für uns gelesen.

Frank Goosen, der einst mit seinem Partner Jochen Malmsheimer als kabarettistisches Tresenleser-Duo im Ruhrgebiet und darüber hinaus respektable Erfolge feierte, genießt in Bochum schon eine Art Legendenstatus, als Romancier, als Entertainer, als Literaturvermittler und auch als inniger VfL-Fan. 

Das Ruhrgebiet ist für Goosen nicht nur Heimat, sondern auch gleichzeitig stets Handlungsschauplatz der eigenen Werke. Der 56-jährige Schriftsteller hat die  aus seinen Vorgängerwerken bekannten Figuren Förster, Fränge und Brocki reaktiviert und sie vor eine ebenso reizvolle wie nervenaufreibende Aufgabe gestellt. Sie wollen eine Jugendfußballmannschaft trainieren. Gastronom Fränge hat seine Beziehung gegen die Wand gefahren und hegt nun Schuldgefühle gegenüber seinem kickenden Sohn Alex. Fußball als Kitt für das zerbröselnde Familienglück? Mit Brocki und Förster will Fränge die C-Jugendmannschaft seines Sohnes vor dem Abstieg retten.

Der Autor war selbst einige Jahre als Jugendtrainer im Verein seiner Söhne (Arminia Bochum) tätig, sein Fußball-Vokabular ist authentisch, sowohl das der Kommunikation auf dem Platz als auch das vom Spielfeldrand.

Dieser von Dialogen getragene Roman will unendlich viel – die Faszination des Fußballs erklären, Gemeinschaftsgefühl im Mannschaftssport miterleben lassen, Marotten pubertierender Kicker beschreiben und auch etwas Fußball-Nostalgie transportieren. Hier geht es absolut hemdsärmelig zu, mit Gefühlsausbrüchen zwischen Grätsche und Abseits – nichts für Feingeister.   

Frank Goosens Spagat zwischen Fußball-Romantik und martialischem Imponiergehabe der Jugendlichen fehlt es an der nötigen sprachlichen Balance. Dialoge und erzählerische Passagen unterscheiden sich kaum im Tonfall. Man schmunzelt an der einen oder anderen Stelle bei der Lektüre von „Spiel ab“, aber der Roman bleibt in Gänze ohne wirklichen Nachhall.

Frank Goosen: Spiel ab! Roman. Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2023, 333 Seiten, 23 Euro

Annika Büsing, die im letzten Jahr mit ihrem Romandebüt „Nordstadt“ gleich mehrere angesehene Literaturpreise eingefahren hat, widmet sich auch in ihrem zweiten Werk wieder Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben und einzelkämpferartig auf der Suche nach dem kleinen Glück sind. Kolja (Koller) und der Ich-Erzähler Chris haben sich in einem Park in Leipzig kennen und lieben gelernt. Sie bereisen in einem betagten Kleinwagen Kollers gesamte, über die Republik verstreute Familie. Sie kommen dabei auch ins vom Jahrhunderthochwasser des Juli 2021 zerstörten Ahrtal. 

Kolja ist ein impulsiver, energiegeladener Mensch, Chris eher das Gegenteil – introvertiert und zögerlich. Überall tun sich während des kurzweiligen Roadtrips kleine „Geschichtchen“ auf, Handlungsnebenstränge mit teilweise skurrilen Figuren. 

Die 41-jährige Annika Büsing, die als Religion- und Deutschlehrerin am Hildegardis-Gymnasium unterrichtet, hat eine atemberaubend temporeiche Suchgeschichte vorgelegt. Es geht dabei um geografische Wurzeln, aber auch um die Erkundung des eigenen Gefühlslebens. Chris und Koller stranden (im wahrsten Sinne des Wortes) in einem abgelegenen Dorf an der Ostsee. Wer mag, kann „Koller“ auch als eine moderne Schöpfungsgeschichte lesen – verteilt auf sieben Tage und gegliedert in sieben Kapitel. Der Roman endet mit dem Satz: „Und siehe, es ist alles sehr gut.“Ja, ist es, denn Annika Büsing hat ihr eindrucksvolles Debütwerk mit „Koller“ noch einmal übertroffen. Virtuos erzählt und anspruchsvoll komponiert. Ein absolutes Muss für den Büchersommer.

Annika Büsing: Koller. Roman. Steidl Verlag, Göttingen 2023, 176 Seiten 20 Euro

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