Wenn der Friedhof
nachts zum Leben erwacht
Schmetterlingszählung in Westenfeld
Es ist stockfinster, als Friedhofsleiter Holger Sense das Eingangstor an der Westenfelder Straße öffnet.
Biologe Armin Jagel vom BUND hat bereits alles in Schubkarren verstaut, was in dieser Nacht gebraucht wird. Dann ziehen wir los, vorbei an roten und weißen Grablichtern zu Objekten der Begierde: den Nachtfaltern. Im Gepäck die Hoffnung, wieder viele neue Arten zu entdecken.
Schmetterlingsfreundlicher Friedhof
Seit einem Jahr ist der Friedhof Westenfeld ein „Schmetterlingsfreundlicher Friedhof“. Im Juli 2022 wurde ihm dieses Prädikat vom NABU NRW verliehen – als bis dahin erst zweitem in NRW. Der evangelische Friedhof Wattenscheid in Westenfeld ist seit Jahren dank vieler Mitstreiter Vorreiter unter den ökologischen Friedhöfen auch in Bochum. „Dahinter steht die Idee, die freiwerdenden und nicht genutzten Friedhofsflächen dem Kreislauf der Natur zurückzugeben“, sagt Holger Sense.
Lebensraum für Nachtfalter und Insekten
Artenvielfalt ist das Stich- und Zauberwort. Um für viele Schmetterlingsarten, Bienen, Wespen und Insekten wieder einen Lebensraum zu schaffen, werden die Wiesen nur zweimal jährlich gemäht und gezielt heimische Blumen gesät, Sträucher und Bäume gepflanzt, die einen reichhaltigen Tisch für die verschiedensten Arten decken. Und solche die der Fortpflanzung und den Raupen dienen.
Köder in den Friedhofsbäumen
Mit Stirnlampen bestückt steuern Holger Sense und Armin Jagel gezielt Bäume und Jutestreifen an, die als Köder in den Ästen hängen. Jede Menge Nachtfalter saugen mit ihren Rüsseln die Mischung aus Rotwein und Apfelmus ein, die die beiden Naturschützer vorher aufgebracht haben. Einige ähneln den graubraunen „Motten“, die schon mal zuhause zu Besuch kommen. Und der schwarzweiße Buchsbaumzünsler ist der Schrecken der Gärtner.
215 Nachtfalterarten
Aber wir entdecken auch nachtaktive farbenprächtige Schmetterlinge: den Ockergelben Blattspanner und das Rote Ordensband zum Beispiel. Bei ihren regelmäßigen nächtlichen Zählungen haben sie in den letzten drei Jahren insgesamt bereits 215 Nachtfalterarten gezählt. Viele landen auch an den beleuchteten Netztürmen, die verteilt auf dem Friedhof für das Zählen aufgestellt werden. Bestrahlt mit blauem Licht sehen sie schon mystisch aus. Einmal haben besorgte Nachbarn die Polizei alarmiert.
Bis 3 Uhr nachts den Schmetterlingen auf der Spur
Diesmal sind die Ordnungshüter informiert. Bis drei Uhr sind Holger Sense und Armin Jagel mit dem Fotoapparat und Notizbuch den Insekten und Schmetterlingen auf der Spur. Unter den 24 Nachtfalterarten waren vier neu auf dem Friedhof. Insgesamt zählten sie 36 Insektenarten, davon auch neue. „Der Himmel war klar, die Nacht kalt“ – so begründet Armin Jagel, dass nicht so viele wie erhofft angetroffen wurden.
Trotzdem ist Holger Sense zuversichtlich: „Für einen Friedhof inmitten der Wohnbebauung ist das eine bemerkenswerte Anzahl. Wir gehen davon aus, dass die Anpflanzungen und das Anlegen von Wiesen und weiteren Raupenfutterpflanzen die Artenzahl noch steigen wird“.
www.bund-bochum.de, www.nrw.nabu.de
Bericht von Sabine Raupach-Strohmann
Schlagwörter
Auch interessant
Meist gelesen
-
Straßen werden „gescannt“
-
Zuhörer und Problemlöser
-
Blühstreifen schützen
-
220 Wohneinheiten sollen
am alten Güterbahnhof entstehen -
Kein gutes Ende in Höntrop
-
Die Erfindung des Eierbergs