Sevinghausen spielt mit den jungen Nachbarn in der Kreisliga B
FSV gibt Flüchtlingen eine sportliche Heimat
Muhemid Hatim lächelt sanft, seine Augen blitzen. „Wir wollen gemeinsam Sport treiben und Spaß haben. Wir sind Freunde geworden, das ist wie eine Familie für mich. Ich bin froh und dankbar, dass ich hier sein kann.“
Hier, das ist das Vereinsheim des FSV Sevinghausen. Muhemid ist 25 Jahre alt, er ist Syrer. Er ist gelernter Designer für Kinderkleidung, mehrfach betont er, „ich will hier arbeiten“. Er hat die klassische Route genommen: Geflohen in die Türkei, dann nach Bulgarien, Serbien, Ungarn, Österreich und eben Deutschland.
Warum er jetzt hier sitzt, das ist eine ganz besondere Geschichte. Gleich neben dem Fußballplatz Auf dem Esch 1 ist das Flüchtlingsheim. Kinder und junge Männer spielen davor häufig Fußball. Der FSV stand gerade fast vor dem Nichts: Die Hoffnung auf einen neuen Kunstrasenplatz hatte sich nicht erfüllt, die ganze erste Mannschaft sich abgemeldet. Schnell gab es einen Kontakt zum Roten Kreuz, das die kickenden Flüchtlinge betreut. Es folgte vom Fußballverein die Einladung an die Nachbarn, doch einfach mal vorbeizuschauen.
„Plötzlich standen da mehr als 20 junge Männer, offen, neugierig, fröhlich“, sagt Benedikt Raabe. Er war als Einziger von der ehemaligen 1. Mannschaft geblieben, er war Spieler, er war Kassierer. Heute ist der 36-Jährige weit, weit mehr. Er übernahm das Training der jungen Männer, er hatte den Mut, mit der Truppe den Spielbetrieb in der Kreisliga B aufzunehmen. „Bei uns finden sie durch den Sport Freunde und schöpfen wieder Hoffnung.“
Es war kurz vor Saisonbeginn. „Vor den Ball getreten hatten die meisten schon mal“, sagt Benedikt Raabe, „aber meist auf einem Kleinfeld. Wir hatten und haben natürlich auch taktische Probleme“. Dafür sprühen sie vor Begeisterung und Leidenschaft für den Fußball. Langsam wuchs zusammen, was vielleicht zusammengehört. Dank einiger Spenden haben inzwischen alle Fußballschuhe und einheitliche Trikots. „Anfangs kamen einige in Jeans und sogar auch mal Badelatschen. Es war schon auch ein Kulturschock“, sagt der 36-Jährige.
Es fehlte eigentlich an allem. Benedikt Raabes Ehefrau Melisa kochte eine warme Mahlzeit für die jungen Kicker, sie backte Brot und machte Schnitten. Manche sagen noch heute „Mama“ zu ihr. Manchmal hatte sie das Gefühl, viele neue Kinder zu haben.
Inzwischen ist auch Bashar Al Abou eingetroffen. Der Syrer lebt aktuell in einem Flüchtlingsheim in Leverkusen. Er reist zu jedem Spiel an. Bashar Al Abou zeigt stolz eine Karte, er ist seit kurzem im Besitz eines Aufenthaltstitels. Er besucht einen Integrationskurs, er hat eine Ausbildung als Rettungssanitäter, möchte gern als Krankenpfleger arbeiten. Wenn es möglich wäre, würde er Medizin studieren. Und wenn er gefragt wird, was ihm der Fußball bedeutet, dann sagt er: „Ich bin glücklich, dabei zu sein.“
Der FSV Sevinghausen benötigt noch für die restliche kalte Jahreszeit Trainingskleidung für die Spieler. Dafür gibt es bei gofundme.com eine Spendenaktion. Auch Sachspenden in Form von langen Trainingshosen und Pullover sind gern gesehen und können bei Benedikt Raabe abgegeben werden.
Bericht von Gerd Strohmann
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