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Leben

Wie man in Harpen 100 Jahre alt wird

Es war Liebe auf den ersten Blick, allerdings nur zum Zukünftigen, nicht zu Harpen. Die Harpenerin Hildegard Schüler wird in diesem Monat, am 27. April, 100 Jahre alt. Ein stolzes Alter.

Geboren im badischen Ettlingen

Geboren wurde die Jubilarin weit weg vom Ruhrgebiet, im badischen Ettlingen, in der Nähe von Karlsruhe. Nach Bochum kam die heute äußerst rüstige Dame zum ersten Mal während des zweiten Weltkriegs, auf ihrem ersten Ausflug allein, um Bekannte zu besuchen. Auf der Hinfahrt in einem völlig überfüllten Zug bot ihr ein Marinesoldat aus Bochum einen Platz an – das war´s dann. Der Mann hieß Gustav Schüler und stammte aus Harpen.

„Das war alles abenteuerlich. Es war damals ein Erlebnis, mal raus zu kommen“, erzählt Hildegard Schüler über das Jahr 1943. „Er sagte: Wenn Sie sich zu mir setzen wollen, ich mache mich auch ganz klein.“

Man traf sich in Bochum, redete und nach der Heimreise nach Ettlingen gab es lange nur das Briefeschreiben, bis es dann 1946 so weit war: Hildegard Schüler fuhr nach Harpen.

„Harpen, das waren ein paar Bruchbuden aus Fachwerk“

„Ach Gott! Ich fuhr mit der Straßenbahn. Nach dem Abzweig an der Castroper Straße gab es gar kein Haus mehr, nur noch Bauernland. Harpen selbst, das waren ein paar Bruchbuden aus Fachwerk. Ich hatte so etwas noch nie gesehen“, beschreibt Hildegard Schüler ihren ersten Schock, „Wege wie der Freyaweg, das waren unbefestigte Feldwege.“ Bürgersteige habe es nicht gegeben, das Kopfsteinpflaster des Harpener Hellwegs habe später ihren Kinderwagen zerstört. Außerdem sei die ganze Stadt Bochum ein einziges Trümmerfeld gewesen, im Ehrenfeld zum Beispiel hätten nur noch die Pfähle mit den Straßennamensschildern gestanden.

Egal. „Dadurch, dass wir jung waren, ging das“, sagt Hildegard Schüler. Im Amtshaus Harpen wurde geheiratet. „Meine Mutter fiel aus allen Wolken, als ich verheiratet wiederkam“, lacht die bald 100-Jährige.

Die Trümmer der Stadt wurden dann zum Start eines erfolgreichen Lebens: Ehemann Gustav gründete eine Firma, die im Auftrag der Stadt Trümmer räumte und die Steine, die man noch gebrauchen konnte, wieder aufarbeitete. Hildegard Schüler machte das Büro, schon während des Krieges hatte sie Schreibmaschinen- und Stenografiekurse belegt und in der badischen Heimat im Büro einer kleinen Fabrik gearbeitet.

Nach dem Krieg „angefangen zu leben“

„Wir haben dann eben angefangen zu leben. Wir waren jung, wir haben gearbeitet. Und Arbeit gab es ja genug“, so Schüler. Sie bekamen zwei Kinder, bauten ein Haus am Harpener Hellweg. „Wir hatten zwanzig Jahre lang nur Schulden“, lacht sie.

Ihre Wahlheimat Harpen, das „vergessene Dorf“, oder auch „Kuhdorf“, wie Hildegard Schüler es gerne nennt, sieht sie heute immer noch mit gemischten Gefühlen. „Die Bauern, die Landbesitzer hier, wurden Millionäre, erst durch den Ruhrschnellweg, dann durch Baulandverkäufe. Die Geschäfte sind durch den Ruhrpark alle verschwunden“, sagt sie.

Wie wird man 100 Jahre?

Wie aber wird man nun hundert Jahre alt? Die Antwort von Hildegard Schüler ist einfach, aber einleuchtend: „Auch wenn man wenig Geld hat, was ich im Kopf habe, das bleibt.“ Hildegard Schüler rechnet gern, jeder Einkaufsbon wird kontrolliert, zweimal die Woche wird jeweils vier Stunden lang Rommé nach harten Regeln gespielt. „In Ruhe essen und trinken, auch mal ausruhen. Ansonsten beten und arbeiten“, lacht sie, „aber das mit dem Beten hab ich vergessen.“

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