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Vor 50 Jahren trat in NRW die Gebietsreform in Kraft

Wattenscheid und Bochum – keine Liebesheirat

Am 1. Januar 1975 trat in NRW die vom damaligen Innenminister Willi Weyer forcierte Gebietsreform in Kraft. Viele Gemeinden verloren ihre Selbständigkeit – so auch Wattenscheid. Bezirksbürgermeister Marc Westerhoff stand zu diesem Thema Rede und Antwort.

Es ist eine Art „Goldene Hochzeit“ zwischen Wattenscheid und Bochum. Aber es war keine Liebesheirat, oder??

In keinster Weise. Wattenscheid hat sich mit allen Kräften gegen diese Ehe gewehrt, ohne Erfolg wie jeder weiß. Auch nach 50 Jahren hat sich, wenn man sich in der Bevölkerung umhört, noch keine große Liebe eingestellt.

Du bist ja mit dem heutigen Status Quo aufgewachsen. Wie siehst Du als Nachgeborener die Problematik?

Ich kann mich noch gut an meine Kinder- und Jugendzeit erinnern. Da habe ich das vom Erzählen natürlich mitbekommen. Als Jugendlicher macht man sich allerdings da keine großen Gedanken. Zu meiner Zeit gab es ja auch noch alles in Wattenscheid, und ich brauchte die Grenzen von Wattenscheid nicht verlassen, um z.B. ein Schwimmbad zu besuchen. Umso älter ich wurde desto mehr hat mich das Thema beschäftigt. Wenn ich gefragt wurde, wo ich wohne, habe ich immer gesagt „in Wattenscheid, das liegt bei Essen“.

Gibt es heute noch Schwierigkeiten im Umgang zwischen Wattenscheid und Bochum auf „offizieller“ Ebene?

Ich kann natürlich nicht in die Köpfe der Verwaltungsmitarbeiter sehen. Im allgemeinen Umgang gibt es aber keine Schwierigkeiten. Ab und zu wird mal mit zwinkerndem Auge gefrotzelt, „ach die Wattenscheider wieder“. Das ist aber eher als Scherz gemeint. Es ist auch der Tatsache geschuldet, dass andere Stadtbezirke mehr als einen Stadtteil umfassen und bei uns Stadtbezirk gleich Wattenscheid ist und natürlich jeder die Vergangenheit kennt und wir unser Wattenscheid auch deutlich vertreten.

Wie reagierst Du als Bezirksbürgermeister auf Argumente – wie : früher waren wir in Wattenscheid schuldenfrei und eine funktionierende Gemeinde

Ja früher war das so. Früher hatten wir eine belebte Innenstadt mit vielen guten Geschäften, mehr Schwimmbäder als heute, aber auch nur Ascheplätze zum Fußball spielen. Ob das heute auch noch so wäre, wage ich zu bezweifeln. Große Firmen, die Steuern gezahlt und damit auch die Stadtkasse gefüllt haben, wären auch nicht mehr da, wenn Wattenscheid noch selbstständig wäre. Das liegt an anderen Faktoren.  Die große Veränderung der Innenstadt hat nichts mit dem Zusammenschluss mit Bochum zu tun. Da muss man nur nach Essen und Gelsenkirchen schauen, auch da sind die blühenden Zeiten vorbei. Das liegt eher daran, dass überall große Einkaufscenter auf die grüne Wiese gebaut wurden und der Onlinehandel enorm zugenommen hat.

Siehst Du Wattenscheid im Ranking der Stadtbezirke benachteiligt?

Wenn Du auf den Sozialbericht anspielst, ist meine Antwort ganz klar ja. Da steht Wattenscheid leider sehr schlecht da. Den Schuh kann sich die Verwaltung mit anziehen. Da sind Fehler in der Vergangenheit gemacht worden. Mit dem ISEK Programm wird versucht etwas gegenzusteuern. Wenn Du das im Allgemeinen meinst, also bezogen auf Zuschüsse und Umsetzung von Projekten, da fällt mir eine Beurteilung schwer, da ich die anderen Stadtbezirke nicht so gut kenne und keinen Vergleich ziehen kann. Unbestritten ist, dass sehr viele Jahre wenig Geld nach Wattenscheid geflossen ist. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Bis das aber sichtbar wird, wird es noch dauern. Und es ist auch klar, dass diese Gelder nicht reichen, um das alles auszugleichen, was in den Jahren davor geschludert wurde.

Was wünscht Du Dir für Veränderungen in der Zusammenarbeit mit Bochum?

Ich wünsche mir eine gute vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe und mehr Vertrauen in die Bezirksvertretung. In den letzten Jahren wurden einige Angelegenheiten aus der Zuständigkeit der Bezirksvertretung zum Rat verlagert. Die Bezirksvertretung sollte mehr gehört und die getroffenen Beschlüsse mehr berücksichtigt werden. Sie sollte wieder mehr Beschlüsse in eigener Entscheidungsbefugnis treffen dürfen und die entsprechenden Gelder dafür erhalten.

Das Gespräch führte Peter Mohr


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