Wattenscheider Geschichte: Klein, aber fein
Immer einen Ausflug wert: Das Heimatmuseum Helfs Hof
Der Marsch vom städtischen Parkplatz hinauf auf den Bördenhügel ist zwar etwas lang für ältere Semester. Aber es lohnt sich schon der Weg.
Der Blick ist weit hier in Sevinghausen, der Grünzug, der frische Luft und Strom ins südliche Ruhrgebiet bringt, macht es möglich. Felder, Bäume, Wiesen – und über allem kreisen Falken und Bussarde. So etwas ist selten im „Pott“ rund um die A40.
Hinter Bäumen, von der Sonne beschienen, erhebt sich dann ein mächtiges Fachwerkhaus. Fast dreißig Meter lang, fast vierzehn Meter breit. Das Wattenscheider Heimatmuseum Helfs Hof.
Show gibt es auf Helfs Hof nicht
Auf dem kleinen Platz davor empfangen einen zwei alte Glocken, die bis 1955 in der Friedenskirche läuteten, zu glücklichen und schrecklichen Anlässen.
„Helfs Hof“ ist, so vermuten Sprachwissenschaftler, eine Verkürzung des Namens „Hellwegs Hof“. Die alte Militär- und Handelsstraße führt in unmittelbarer Nähe vorbei. Bezeugt ist der Hof seit dem 15. Jahrhundert, dem ausgehenden Mittelalter also.
Wer jetzt aber eine weitere Mittelalter-Show erwartet, wenn er das vom Heimat- und Bürgerverein betriebene Heimatmuseum betritt, der muss enttäuscht werden.
„Heimat“ – das ist eben nicht Waffen und Rüstungen, Krieg und Pomp. Heimat, das ist der Alltag. Und genau den zeigt das Museum, Dinge aus dem Alltag der Wattenscheider über die Jahrhunderte.
Das beginnt mit dem Torbalken der ersten Dorfschule Eppendorf von 1811, über Bilder vom Männergesangverein „Sangeslust“ von 1929 oder Broschüren zur Taubenzucht. Zu sehen sind bäuerliche Handwerkszeuge wie Dreschflegel oder Spinnräder genau wie das Gezähe des Bergmanns, ein kleiner Schaukasten zur Steinkohle mit den verschiedensten Proben, so wie er wohl früher in den Schulen in Gebrauch war. Wattenscheid war eben immer beides: Bauernstädtchen mit viel Tradition und Hotspot der Kohlezechen.
Auch der Karneval und das Gänsereiten haben ihren Platz
Über den Eingangsbereich wachen denn auch zwei Figuren in Gänsereiter-Montur, die ja der alten westfälischen Tracht nachempfunden ist. Dort ist auch noch der originale Feuerplatz des Fachwerkhauses zu bewundern.
Dort, wo früher das Vieh stand, ist heute der größte Teil der Ausstellung zu sehen. Es geht wieder um den Alltag – aber auch um das Besondere, den Karneval zum Beispiel. Ein Wattenscheider Prinzen- sowie Prinzessinnenkostüm strahlen in Rotweiß.
Dokumente und Privatangelegenheiten
Direkt gegenüber sieht man historische Nachtwäsche, Geräte zur Flachs-Verarbeitung und Leinenherstellung, oder die persönliche Handglocke des Höntroper Kartoffelhändlers Emil Lipka. Tabaks-Pfeifen wie aus einem Hobbit-Film, Werkzeuge eines Friseurs oder den Türklopfer eines preußischen Militärarztes, der sich im achtzehnten Jahrhundert in Wattenscheid niedergelassen hatte. Die witzigen Einfälle des „Stallwirts“ Anton Bomers, bei dem sogar der Bundeskanzler einkehrte, kommen auch vor. Der Mann schnitt sich am Tisch vor den erschrockenen Augen seiner Gäste schon mal einen falschen Finger ab. Den falschen Finger gibt es ebenfalls zu sehen.
Und natürlich Schriftstücke. Zum Beispiel das Original-Titelblatt der Wattenscheider Zeitung von 1926, in der bekannt gemacht wird, das Wattenscheid fortan eine kreisfreie Mittelstadt sei.
Was bekanntlich nur bis 1975 Bestand hatte. Für die Erinnerung an damals gibt es das Heimatmuseum Helfs Hof.
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