Standhaftigkeit bewundert
Reinhard Junge hat Erinnerungen seines Vaters als Buch vorgelegt
32 Jahre hat Reinhard Junge am Hellweg-Gymnasium unterrichtet, hat Generationen von Schülern Deutsch, Latein und Russisch beigebracht und „nebenbei“ seit Mitte der 1980er Jahre erfolgreiche Kriminalromane geschrieben, deren Handlung zumeist im Ruhrgebiet angesiedelt war.
Die Romantrilogie „Das Ekel von Datteln“, „Das Ekel schlägt zurück“ und „Die Waffen des Ekels“, die er zusammen mit dem erfolgreichen Drehbuchautor Leo P. Ard (Jürgen Pomorin) verfasst hat, waren die erfolgreichsten und zugleich maßstabsetzenden Titel: Spannend, sozialkritisch engagiert, aber dennoch süffig-unterhaltsam zu lesen.
2016 gab es dann eine schriftstellerische Premiere – gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Christiane Bogenstahl hatte er den Krimi „Datengrab“ geschrieben. 2018 folgte vom Autorenduo Bogenstahl/Junge noch „Seelenamt“. Nach einer siebenmonatigen „Rucksack-Weltreise“ im Jahr 2019 hat sich der inzwischen 78-jährige Wattenscheider mit den Lebenserinnerungen seines Vaters (einst aktiver Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten) auseinander gesetzt, die nun in Buchform erschienen sind.
Welche Rolle hast Du dabei am meisten eingenommen, die des Sohnes, des Schriftstellers oder des Lektors?
Schwer zu trennen. Ich habe, wie auch viele Mithäftlinge, die ich noch als Kind kennen lernen durfte, vor allem seine Standhaftigkeit bewundert. Anders als manche Altersgenossen habe ich in der Schule oder im Hollandurlaub nie die Frage befürchtet, was denn mein Vater „im Krieg“ gemacht habe.
Kann man dieses Buch ein Herzensprojekt nennen?
Ja. Ich wollte nicht, dass seine Erfahrungen in Vergessenheit gerieten. Meine Mutter und alle vier Großeltern waren auch im Widerstand – aber sie konnten in diesem Buch leider nur am Rande erwähnt werden.
Wie lange hast Du insgesamt an diesem Buch gearbeitet und war es schwer einen Verlag zu finden?
Das schriftliche Material habe ich nach dem Tod meiner Mutter (2009) bekommen. Mit dem Sortieren habe ich erst drei Jahre später als Rentner begonnen, aber bis 2022 mehrere Anläufe gebraucht. Ein Berliner Verlag meinte, von diesem Buch könne er höchstens 300 Exemplare verkaufen. Ein echter Mutmacher. Christiane und Freunde haben mir dann zu PapyRossa geraten. Ein Ja kam drei Tage später: „Prima. Ich kenne alle deine Krimis …“ Habe aber parallel zur Überarbeitung noch ein Buch über meine Jugend in Dortmund fertigstellen müssen. Stress hoch drei.
War es für dich als Sohn auch schmerzlich noch einmal mit der Lebensgeschichte deines Vaters als politisch Verfolgter in der Nazi-Zeit konfrontiert zu werden, schreckliche Details und himmelschreiende Ungerechtigkeiten noch einmal mitzuerleben?
Nicht wirklich. In einer Kommunistenfamilie bist du in der Adenauer-Ära schon als Kind mit Politik konfrontiert. Wenn mein Vater aber, etwa gegen die SS-Leute Sorge und Schubert, als Zeuge vor Gericht ausgesagt hatte, habe ich ihn nachts im Schlaf oft schreien gehört. Tagsüber hat er diese Foltertrauma unterdrückt. „Ja, die haben mich vermacht.“ Keine Einzelheiten.
Angesichts des gewaltigen Rechtsrucks in Deutschland würde man dieses Buch gerne für den Schulunterricht empfehlen. Was sagt der ehemalige Lehrer dazu?
„Nie wieder ist jetzt!“ Das Buch ist, glaube ich, sehr aktuell. In der Schule könnte es ab 16 klappen. Aber das ist keine Ferienlektüre, mit der man die Jugendlichen anfangs allein lassen darf. So habe ich den großartigen Anna-Seghers-Roman „Das siebte Kreuz“ einige Male als Stapel mitgebracht, ausgeteilt und die ersten Kapitel von Schülern laut vorlesen lassen und Schwieriges erklärt. Nach drei oder vier Stunden waren die meisten Kids „gefesselt“. Mit „Ewig“ könnte man wohl ähnlich verfahren. Nur: Wir haben jetzt das Zentralabitur mit bisweilen „braver“ Textauswahl im Fach Deutsch. Vielleicht gibt es dafür eher Platz in Geschichte, Sozialwissenschaft, Politik oder sogar Religion.
Und zu allerletzt noch die Frage: Wird das Pegasus-Team noch einmal ermitteln? Wird es in absehbarer Zeit einen neuen Krimi geben?
Ungewiss. Die Stammleser sind wie PEGASUS in die Jahre gekommen, der Emons Verlag hat fast alles verramscht, kleine Buchhandlungen sterben aus – und ich werde nächstes Jahr 80. In den 1960ern gab es mal ein damals skandalöses Buch mit dem Titel „Zur Hölle mit den Paukern“. Wäre eigentlich Zeit für „Zur Hölle mit den Vorschriften“. Mal sehen.
Das Interview führte Peter Mohr
Infos zum Buch:
Heinz Junge: Ewig kann’s nicht Winter sein.
Herausgegeben von Reinhard Junge.
PapyRossa Verlag, Köln 2025, 302 Seiten, 22,90 Euro
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